Daimler-Chef Dieter Zetsche sieht trotz der anhaltenden Diskussion um hohe Lohnkosten keine Gefahr für die deutschen Standorte. „Es gibt keinen Anlass zur Sorge. Wir sind und bleiben heimatverbunden“, sagte Zetsche der „Süddeutschen Zeitung“ über mögliche Stellenstreichungen im Zuge weltweiter Kooperationen. Früheren Berichten zufolge kosten die deutschen Werke, darunter vor allem Sindelfingen, im Vergleich zum Ausland deutlich mehr. Daimler hatte zuletzt neue Investitionen von einer Milliarde in sein größtes Pkw-Werk in Sindelfingen angekündigt, will aber in diesem Jahr auch über eine neue Fabrik in Brasilien entscheiden. (Süddeutsche Zeitung online, 16.9.13/S–)
Alternativlos – Kommentar von Dr. Olaf Janke – Was Daimler-Chef Dieter Zetsche hier als großzügige Geste an die Daimler Belegschaft, ja an den Standort Deutschland deklariert, ist in Wahrheit – bis zu einem gewissen Grad – alternativlos. Tatsache ist, dass die Zeit noch keineswegs gekommen ist, das Unternehmen wurzellos über den ganzen Erdball zu verteilen. Daimler lebt seit mehr als 100 Jahren prächtig mit seiner engen Verwurzelung am Standort Deutschland. Hier haben dessen Gründungsväter vor 125 Jahren Automobilgeschichte geschrieben, als der dreirädrige Benz Patent-Motorwagen Nummer 3 am 5. August 1888 eine 106 Kilometer lange Fahrt von Mannheim nach Pforzheim unternahm. Hier begann der Aufstieg des „Daimlers“, wie der Stern heute noch weltweit geachtet genannt wird. Hier wurden unter dem Logo „Made in Germany“ jahrzehntelang milliardenschwere Wertschöpfungen und Profite erzielt. Hier befindet sich die Seele des Unternehmens. Seit Generationen ist der „Daimler“ Identifikation und Leitbild einer erfolgreichen deutschen Wirtschaftskultur. Mehr noch: Für die Welt ist Daimler Deutschland. Eine Auflösung der engen Verwurzelung des Konzerns könnte dem Image des Autobauers Schaden zufügen. Dass die dicksten Limousinen immer noch überwiegend im Schwabenländle zusammengebaut werden, rechtfertigt weiterhin einen Aufpreis von ca. 10 % zu marktgängigen Preisen. Sicherlich: Ein Festhalten an den Standort Deutschland ist nicht billig und setzt oftmals allzu viele Kompromisse voraus. In der Gesamtbilanz bringt es Daimler jedoch beträchtliche Vorteile in Bezug auf Hochpreisigkeit, Imagetransfer und Markenwahrnehmung. Gleichwohl ist diese Würde jedoch auch eine Last: Denn die enge Bindung des Unternehmens an Deutschland führt zu einer ungewünschten Risikogemeinschaft und ließ die Stuttgarter in der Vergangenheit oftmals Chancen im Ausland ungenutzt verstreichen. So konnten die trägen Schaben in China erst kurz vor Torschluss so richtig durchstarten, als BMW und Audi den Markt bereits über weite Strecken unter sich aufgeteilt hatten. Fazit: Es gibt künftig kein schwarz oder weiß. Ein Bekenntnis zum Heimatmarkt wie zuletzt von Dieter Zetsche abgegeben, gepaart mit einem selbstbewussten Drang in die Welt werden eine gesunde Mischung aus Tradition und Zukunftsgestaltung sein. Viel Glück, alter Daimler, auf dem Weg in die Zukunft! Der Spagat zwischen Tradition und Zukunft wird gewiss kein einfacher.